Neue Gewerbeflächen in Ratingen will kaum jemand
Sieben Bürgermeister-Kandidaten bei der IHK-Wahlarena
Neben der IHK-Wahlarena in Ratingen gab es solche Veranstaltungen in den übrigen Städten des Kreises Mettmann und in Düsseldorf, die Aufzeichnungen sind online.
Text: Werner Grosch, Fotos: Paul Esser
Bei der Kommunalwahl am 13. September hat der für die CDU antretende Ratinger Bürgermeister Klaus Konrad Pesch gleich sechs Mitbewerber um das höchste Amt der Stadt – die Hälfte davon kommt aus Parteien, die ihn bei der Wahl vor sechs Jahren noch mit unterstützt hatten: SPD, FDP und Grüne. Dass da in der Zwischenzeit einiges passiert sein muss, ist klar und wurde auch deutlich bei der sechsten IHK-Wahlarena am 15. Juni. Denn bei allem offenkundigen persönlichen Respekt schrieben die Gegenkandidaten dem Amtsinhaber doch einige schlechte Noten ins Zeugnis. Die schwächsten Fächer nach dem Urteil der meisten: Wirtschaftsförderung und Digitalisierung. Auf den Feldern Verkehr und Gewerbeflächen gab es dagegen bessere Bewertungen, sprich: Weitgehende Einigkeit im ganzen Spektrum vom unabhängigen Kandidaten Manfred Evers über Rainer Vogt von der Bürger-Union und Dr. Markus Sondermann (FDP) über Martin Tönnes (Grüne) und Thomas Woywod (Die Optimisten, ehemals Piraten-Fraktion) bis zu Christian Wiglow von der SPD.
Schlechte Noten für Wirtschaftsförderung und Digitalisierung
Deutliche Worte fielen bei einem Thema, das den Ratinger Unternehmen natürlich besonders wichtig ist: Wirtschaftsförderung. Vor allem die Vertreter von Bürger-Union und FDP kritisierten, dass die entsprechende städtische Abteilung mit zweieinhalb Stellen völlig unterbesetzt sei und dass es speziell für kleine und mittlere Unternehmen keine echten Ansprechpartner bei der Stadt gebe. „Wir haben 42.000 Arbeitsplätze in Ratingen, davon sind 90 Prozent bei mittelständischen Firmen“, betonte Sondermann, der sich den Bürgermeister als Anwalt der Bürger und der Unternehmen vorstellt und der vor allem eine Beschleunigung von Verwaltungsverfahren fordert. Die jetzigen Zeiträume seien „wirtschaftsunfreundlich“.
Noch drastischer fiel die Bilanz in Sachen Digitalisierung aus: „Desaströs“, „zehn Jahre verschlafen“, „Wir sind da ganz weit hinten“ – so die breite Kritik an der Stadtspitze vor allem mit Blick auf die Ausstattung der Schulen. „Die zwei größten Gymnasien in der Innenstadt haben immer noch überhaupt keinen Internetanschluss“, monierte Sondermann. Dabei müsse doch „das Internet ein ganz normaler Bestandteil der Infrastruktur sein wie jede Straße“, pflichtete Woywod bei. Dass beim Thema Digitalisierung noch viel zu tun ist, war letztlich Konsens. Das gilt für die Netz- und Hardware-Versorgung der Schulen ebenso wie für den Breitbandausbau in der gesamten Stadt. „Wir haben da kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem“, sagt SPD-Kandidat Wiglow, was Sondermann übersetzte mit: „Geld in die Hand nehmen, machen!“ Warum das bisher nicht passiert ist, blieb letztlich offen.
Einigkeit bei den Themen Verkehr und Gewerbeflächen
Schnell durch waren die Diskutanten indes mit zwei weiteren für die Wirtschaft zentralen Aspekten. Erstens Verkehr: Den Radverkehr sowie Bus und Bahn stärker fördern, beim ÖPNV vor allem Takte verdichten sowie unterversorgte Stadtteile besser anbinden. Und dafür die geplante Reaktivierung der heutigen Güterzugstrecke von Duisburg nach Düsseldorf („Westbahn“) als S- und nicht als Regionalbahn planen, damit sie ausreichend viele Haltepunkte bekommt, so die einhellige Meinung.
Kaum mehr Differenzen offenbarte das Thema Gewerbeflächen: Nur FDP-Kandidat Sondermann verwies darauf, dass es in Ratingen „noch viele Flächen“ gebe, die entsprechend entwickelt werden könnten. Damit ging er auf die entsprechende Forderung im IHK-Positionspapier ein. Die anderen Kandidaten sehen indes bis auf weiteres noch ausreichend Potenzial im Bestand, auch wegen aktuell hoher Leerstandszahlen. Grünen-Kandidat Tönnes forderte besonders bei diesem Thema eine stärkere interkommunale Zusammenarbeit: „Wir müssen weg von den Kirchtürmen!“ Die von der Bezirksplanungsbehörde in ihrem jüngsten Monitoring genannte Fehlquote von zwölf Hektar beschrieb Pesch sogar als eine eher theoretische Größe, die irgendwann einmal greife, wenn die Stadt an ihre Grenzen stoße, die aber jetzt noch gar nicht aktuell sei. Dass zusätzlicher und vor allem günstiger Wohnraum in Ratingen notwendig auch für die Anziehung von Arbeitskräften für die Unternehmen ist, war derweil Konsens. Nur der Weg dahin scheint umstritten: Während Amtsinhaber Pesch die Stadt auf einem guten Weg sieht, forderten andere eine aktivere Wohnungsbaupolitik – vor allem der Grüne Tönnes, der verlangte, dass die Stadt selbst gezielt Grundstücke kaufen und entsprechend entwickeln müsse.